Sicherheit in Europa

Sergey Lavrov: „Die Unteilbarkeit der Sicherheit liegt darin, dass die Sicherheit entweder eine für alle ist oder gibt es keine Sicherheit für Niemanden“

Übersetzung aus dem Russischen „Text der Botschaft des Außenministers der Russischen Föderation Sergey Lavrovs an die Chefs der Auswärtigen Ämter der USA, Kanada und einigen Europäischen Ländern zu dem Thema der Unteilbarkeit der Sicherheit am 28. Januar dieses Jahres“.

Original veröffentlicht am 01.02.2022 um 20:56

Es Ihnen gut bekannt, dass Russland ernsthaft über die Eskalation der militärisch-politischen Spannungen in der unmittelbarer Nähe von ihrer Westgrenze besorgt ist. Folgend dem Ziel die weitere Eskalation vorzubeugen hat die russische Seite am 15. Dezember 2021 die Entwürfe der zwei verbundenen internationalen rechtlichen Dokumenten – eines Vertrags zwischen Russland und USA über die Sicherheitsgarantien und Vereinbarung über Massnahmen der Sicherheitsgewährleistung Russlands und Staaten – Mitglieder der Organisation der Nordatlantischer Allianz.

Die am 26.Januar 2022 eingegangene Antworten auf unsere Vorschläge von USA und NATO zeigen die wesentliche Diskrepanzen im Verständnis des für die komplette Architektur der europäischen Sicherheit grundlegenden Prinzips der gleichen und unteilbaren Sicherheit. Wir halten es für notwendig, umgehend diese Frage zu klären, die massgebend für die Perspektive des Dialoges ist.

In der Charta der europäischen Sicherheit, die auf dem Summit OSZE in Istanbul 1999 unterzeichnet wurde, sind die Basis Rechte und Verpflichtungen der Mitgliedsländer der Organisation hinsichtlich der Unteilbarkeit der Sicherheit. Jeder einzelne Teilnehmerstaat hat das innewohnende Recht, seine Sicherheitsvereinbarungen einschließlich von Bündnissen frei zu wählen oder diese im Laufe ihrer Entwicklung zu verändern. Jeder Staat hat auch das Recht auf Neutralität. In dem selben Paragrafen der Charta sind diese Rechte direkt begründet mit der Verpflichtung von jedem Mitgliedsstaat die eigene Sicherheit nicht auf Kosten der Sicherheit der Anderen zu festigen. Weiter ist hier festgelegt, dass keinem Staat, keiner Staatengruppe oder Organisation mehr Verantwortung für die Erhaltung von Frieden und Stabilität in der OSZE-Region zu als anderen kommt, noch kann einer/eine von ihnen irgendeinen Teil der OSZE-Region als seinen/ihren Einflussbereich betrachten.

Dieser Einheitspaket der zusammenhängenden Verpflichtungen wurde in der Deklaration von Mitgliedsstaaten im Dezember 2010 auf dem Astana Summit OSZE nochmals bestätigt.

Jedoch ziehen die westliche Länder weiterhin aus diesem Paket nur die Positionen, die sie brauchen, wie – das Recht der Mitgliedsstaaten auf freie Wahl der Allianzen um ausschließlich ihre eigene Sicherheit zu gewährleisten. Der Nebensatz „im Laufe ihrer Entwicklung“ wird still weggewischt, weil genau dieser Punkt ist ein Teil der Verständnis von „Unteilbarkeit der Sicherheit“, und zwar – der verpflichtenden Entwicklung der militärischen Bündnisse von der Ursprungsfunktion der Konfrontation und Integration dieser Bündnisse in die gemeinsame europäische Sicherheitsarchitektur, für alle und nicht für Gruppen. Der Grundsatz der Unteilbarkeit der Sicherheit wird selektiv interpretiert, um den genommenen Kurs auf die verantwortungslose NATO Erweiterung zu unterbauen.

Es ist bezeichnend, dass in den Kommentaren über die Bereitschaft den Dialog über die Architektur der Sicherheit in Europa zu entwickeln, seitens Vertreter des Westens die Erwähnung der Charta der Europäischen Sicherheit und Astana-Deklaration sorgfältig vermieden wird. Man bezieht sich auf die vorherige Dokumente der OSCE, besonders oft die Pariser Charta für die neue Europa von 1990, die keine „unbequem“ gewordene Verpflichtung eigene Sicherheit nicht auf Kosten der Sicherheit Anderer aufzubauen enthält. In westlichen Hauptstädten versucht man auch einer den wichtigsten OSCE Dokumenten zu ignorieren – Verhaltenskodex, der die militärisch-politische Aspekte der Sicherheit des Jahres 1994 , in welchem direkt steht, dass die Staaten die „legitime Sicherheitsinteressen der anderen Länder“ bei der Wahl der Mitteln, die eigene Sicherheit zu stärken, inklusive die Mitgliedschaft in den Allianzen.

So geht es nicht. Der Sinn der Vereinbarungen über die Unteilbarkeit der Sicherheit liegt darin, dass die Sicherheit entweder eine für alle ist oder gibt es keine Sicherheit für Niemanden. Und wie es in der Istanbul Charta festgelegt ist, hat jeder der OSZE Mitgliedstaaten gleiche Recht auf Sicherheit und nicht nur die NATO Mitglieder, in denen Interpretation dieses Recht nur für die Mitglieder des „exklusiven“ nordatlantischen Klub gilt.

Ich werde nicht die weiteren Ansätze und Handlungen von NATO kommentieren, die von dem Streben von dieser „Verteidigungsallianz“ an militärische Überlegenheit und Gewalteinsatz umgehend der Vorrechte des UNO Sicherheitsrates zeugen. Ich sage nur, dass diese Handlungen den grundlegende gemeinsamen europäischen Verpflichtungen widersprechen, inklusive die Verpflichtungen die militärische Potentiale zu unterhalten, „die im Verhältnis zu den legitimen individuellen oder kollektiven Bedürfnissen im Bereich der Sicherheit stehen, berücksichtigend die internationalrechtliche Verpflichtungen, sowie die legitime Sicherheitsinteressen der anderen Länder.“

In ihren Reden über die jetzige Situation in Europa, rufen unsere Kollegen aus USA, NATO und EU ständig zu der „Deeskalation“ auf, Russland soll „den Weg der Diplomatie“ wählen. Wir möchten daran erinnern: wir gehen bereits seit vielen Jahrzehnten diesen Weg. Die Dokumente von OSCE Summits in Istanbul und Astana – sind die wichtigste Meilensteine auf diesem Weg und direkter Ergebnis der Diplomatie. Der Fakt, dass der Westen den offenen Versuch unternimmt diese diplomatische Errungenschaften von allen OSZE Staatenführer, vernehmen wir mit tiefster Besorgnis. Die Situation erfordert es, die Positionen ehrlich zu klären.

Wir wollen eine klare Antwort auf die Frage bekommen, wie verstehen unsere Partner ihre Verpflichtung die eigene Sicherheit nicht auf die Kosten der Sicherheit der anderen Staaten auf Grundlage der Unteilbarkeit der Sicherheit aufzubauen? Wie beabsichtigt konkret Ihre Regierung diese Verpflichtung unter heutigen Umständen in die Praxis umzusetzen? Wenn sie diese Verpflichtung nicht länger akzeptieren, bitten wir uns klar darüber zu informieren.

Ohne dass wir die volle Klarheit in dieser Schlüsselfrage hinsichtlich Rechte und Verpflichtungen bekommen, die auf der höchsten Ebene bestätigt sind, ist es nicht Möglich die Interessenbilanz in den Dokumenten von Istanbul und Astana sicherzustellen. Ihre Antwort hilft uns besser den Stand der Verhandlungsfähigkeit unserer Partner zu verstehen, sowie die Möglichkeit der gemeinsamer Weiterbewegung in der Sache der Entspannung und Festigung der gemeinsamen europäischen Sicherheit.

Wir erwarten zeitnahe Reaktion. Das kann nicht viel Zeit in Anspruch nehmen – auf Basis von dieser Interpretation hat letztendlich ihr Präsident (Ministerpräsident) entsprechende Verpflichtungen unterzeichnet.

Wir gehen weiter davon aus, dass die Reaktion auf dieses Schreiben im Namen ihres Staates eingeht, weil die genannte Verpflichtungen von jedem ihrer Staaten individuell, und nicht im Namen eines Bündnisses auf sich genommen wurden.

Original veröffentlicht am 01.02.2022 um 20:56

Links:

OSZE

OSZE Istanbul Dokument in Deutsch, Includes Charter for European Security, Istanbul Summit Declaration, Vienna Document 1999, Final Act of the Conference of the States Parties to the Treaty on Conventional Armed Forces in Europe.

GEDENKERKLÄRUNG VON ASTANA AUF DEM WEG ZU EINER SICHERHEITSGEMEINSCHAFT, deutsch. Herr Lavrov zitiert oben Punkt 3 „Die Sicherheit jedes Teilnehmerstaats ist untrennbar mit der Sicherheit aller anderen verbunden. Jeder Teilnehmerstaat hat das gleiche Recht auf Sicherheit. Wir bekräftigen das jedem einzelnen Teilnehmerstaat innewohnende Recht, seine Sicherheitsvereinbarungen einschließlich von Bündnissen frei zu wählen oder diese im Laufe ihrer Entwicklung zu verändern. Jeder Staat hat auch das Recht auf Neutralität. Jeder Staat wird diesbezüglich die Rechte aller anderen respektieren. Sie werden ihre Sicherheit nicht auf Kosten der Sicherheit anderer Staaten festigen. Innerhalb der OSZE kommt keinem Staat, keiner Staatengruppe oder Organisation mehr Verantwortung für die Erhaltung von Frieden und Stabilität in der OSZE-Region zu als anderen, noch kann einer/eine von ihnen irgendeinen Teil der OSZE-Region als seinen/ihren Einflussbereich betrachten. Wir werden unter Berücksichtigung völkerrechtlicher Verpflichtungen sowie der legitimen Sicherheitsanliegen anderer Staaten nur solche militärische Fähigkeiten aufrechterhalten, die mit den individuellen oder kollektiven legitimen Sicherheitserfordernissen vereinbar sind. Wir bekräftigen ferner, dass alle OSZE-Prinzipien und -Verpflichtungen gleichermaßen und ausnahmslos für jeden Teilnehmerstaat gelten, und wir betonen, dass wir untereinander und gegenüber unseren Bürgern für ihre volle Umsetzung einstehen werden. Wir betrachten diese Verpflichtungen als unsere gemeinsame Errungenschaft und somit als unmittelbare und berechtigte Anliegen aller Teilnehmerstaaten.“

Aussenministerium der Russischen Föderation – offizielle Seite. Die meiste Texte sind in Russisch und Englisch verfügbar, es gibt auch deutsche Übersetzungen, diese sind leider nicht vollständig und nicht immer aktuell.

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